Ich grüße Sie ganz herzlich, meine sehr verehrten Damen und Herren. Zu dem 92. Geburtstag von Karl Marx
kann man wohl sagen, dass Marx, einer der größten Kritiker des Kapitalismus, im Kapitalismus angekommen
ist. Das heißt, in eine Ware verwandelt und zu einem Marketingobjekt, unter anderem zu einem
Marketingobjekt gemacht worden ist. Sie sehen, das hier ist jetzt vom Fremdenverkehrsamt Trier,
das mit Marx wirbt, um den Tourismus etwas anzukurbeln, einige Objekte, die sie dort erwerben
können, die den Charakter von Devotionalien haben. Devotionalien deshalb, weil Marx ja in Trier
geboren wurde, aber nicht gestorben ist und das Fremdenverkehrsamt sich nun den Gag hat ausgedacht,
nur das Geburtsdatum auf die Tassen und so weiter zu schreiben. Aber das Tod ist ja zu verschweigen.
Okay, auch wenn Marx im Kapitalismus angekommen ist, so wird man doch sagen müssen, dass die
sorgenvolle Mine des Bürgertums geblieben ist. Könnte es sein, dass Marx nicht, wie von Norbert
Blüm angenommen, tot ist? Jedenfalls nicht im übertragenen Sinne, dass möglicherweise an seinen
Theorien doch etwas dran ist, wie die Zeit etwas sorgenvoll vor einem Jahr getitelt hat. Das gibt
dem Bürgertum anders zur Sorge und entsprechend distanziert liegt es oft auf Marx. So schreibt
Thomas Piketty, der mit dem Buch Das Kapital im 21. Jahrhundert völlig zu Recht einen Welterfolg
gelandet hat über Marx, über das Marxische Kapital. Das Kapital, Zitat, ist viel zu theoretisch und zu
spekulativ. Ich vorzuge stärker empirische und historische Forschung. Ich glaube, mein Buch lässt
sich besser lesen. Ich weiß nicht, ob es jemand von Ihnen gelesen hat. Wenn Sie es gelesen haben,
es ist sehr lesenswert. Er hat völlig Recht. Es stimmt, es lässt sich wirklich besser lesen und
es ist viel leichter verständlich. Tatsächlich ist es aber auch keine Kapitalismuskritik, sondern
eine Kritik an der Verteilung gesellschaftlichen Reichtums im Kapitalismus und entsprechend andere
Konsequenzen werden von Piketty aus seinen Überlegungen gezogen. Es geht nicht um eine
Abschaffung des Kapitalismus, sondern um eine durch Steuern regulierte Einhegung sozialer Ungleichheit.
Von der Wirtschaft, der Marx den Untergang prophezeit hat, hat man bis vor kurzem geglaubt,
dass der Kapitalismus und seine Prinzipien der Marktwirtschaft und des Liberalismus sich weltweit
durchgesetzt haben und der Sozialismus als ein Gegenmodell niedergerungen sei. Einige von
Ihnen werden Fukuyama kennen. Der hat das in sehr prägnante These zusammengefasst, nämlich in die
These vom Ende der Geschichte und diese These besagt nichts anderes, als dass sich eben der
Kapitalismus als Wirtschaftssystem weltweit durchgesetzt hat. Man hat, das ist nicht lange
her, das ist 30 Jahre her, angenommen, dass die sich auf marktbeziehenden politischen Umstürze
und Umsturzversuche, die ja das 20. Jahrhundert geprägt haben und deren Folgen wir noch lange im
21. Jahrhundert bearbeiten werden, dass diese Umstürze und Umsturzversuche also Geschichte sind.
Ganz so ist es nicht gekommen, wie Sie alle wissen oder inzwischen auch mitbekommen haben werden. Das
Blatt hat sich inzwischen, ich finde, sehr sehr deutlich gewandelt. Das gilt insbesondere für
die Zeit nach der großen Krise 2008, das hat sich aber schon vorher angebahnt. Ein Grund dafür wird
sein, dass der Kapitalismus sich weltweit eben nicht durchgesetzt hat. Ein anderer Grund, ich glaube
für uns im Westen viel wichtigerer Grund ist, dazu werde ich am Ende wieder zurückkommen, dass die
soziale Ungleichheit in eigentlich allen westlichen Staaten deutlich zugenommen hat. Für diesen Wandel
der Stimmung geht, wenn Sie sich überlegen, da gibt es eine ganze Reihe von Indikatoren, wenn Sie sich
überlegen, dass in Amerika ein Präsidentschaftskandidat für den demokratischen Wahlkampf
ernsthaft in diesem Wahlkampf auftreten kann, mit einem originären sozialdemokratischen Programm,
dann ist das eigentlich ein Novum. Das hat es vorher so nicht gegeben und Sie alle wissen ja,
dass Bernie Sanders lange in diesem Wahlkampf, viel länger als man erwartet hat, gegen Clinton hat
bestehen können. Anderes Indiz dafür, dass sich die Stimmung deutlich gewandelt hat, sind immer
wieder aufpoppende Gegenbewegungen. Sie sehen auf der Folie ein Foto von Occupy Wall Street.
Dear 1%, we fell asleep for a while, just woke up, sincerely the 99%. Das war eine von den wichtigen,
inzwischen etwas zurückgegangenen Gegenbewegungen in den USA nach der großen Krise. Nicht zuletzt,
letztes Indiz, man kann an den Universitäten, nicht nur an den Universitäten, aber auch an
den Universitäten feststellen, dass es zu einem Boom von Marx-Lesekreisen gekommen ist. Gibt es
bei uns am Institut auch, ist eine ganz tolle Sache. Junge Studierende setzen sich zusammen,
kriegen keine Leistungspunkte dafür oder so was, setzen sich zusammen und lesen das Kapital und
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:46:32 Min
Aufnahmedatum
2018-06-28
Hochgeladen am
2018-07-24 11:38:14
Sprache
de-DE
Karl Marx war nicht nur einer der wichtigsten Analytiker des Kapitalismus, sondern Teil des politischen Kampfes für eine andere Gesellschaftsordnung im 19. Jahrhundert. Der Vortrag zeichnet wesentliche Stationen im Leben von Marx nach und führt in den Kontext der Entstehung wichtiger Werke ein.